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„Recht und Gerechtigkeit stimmen nicht überein“ - Zwei Asylhelfer erzählen


02. November 2021
Alles war geplant: Großer Empfang im Landratsamt in Dachau. Peter Barth, seit den Gründungstagen Vorsitzender des Helferkreises Asyl Hebertshausen, sollte ausgezeichnet werden, vom Landrat selbst. Doch wenige Stunden vorher schob dessen Ausländerbehörde den Malier Moussa Nomoko ab. Von einem Termin im Amt, in Handschellen. Sein „Pate“ Raimund Popp stand daneben und konnte nichts tun. Barth lehnte die Ehrung empört ab.
© privat
Raimund Popp (li.) und Peter Barth beraten sich. Das Bild an der Wand hat ein Geflüchteter gemalt.

Noch heute, bei Kaffee im Wohnzimmer von Peter Barth, ist die Stimmung getrübt. Die beiden Asylhelfer sehen ihre Arbeit mit Füßen getreten. „Wir sind nur noch damit beschäftigt, uns zu wehren und nicht in Fallen zu tappen“, ärgert sich Barth. „Die Abschreckung wirkt, unter den Geflüchteten herrscht Angst.“ Wer keinen Pass habe, bekomme kaum mehr einen Ausbildungsplatz. Wer aber einen besorge, dem drohe die Abschiebung. Im Landkreis Dachau leben rund 50 Senegalesen. „Ich kenne jeden einzelnen“, sagt Barth. „Weil ihr Herkunftsland als sicher gilt, sind sie zum Nichtstun verdammt. Es ist dramatisch!“

Asylhelfer sind Ansprechpartner für alles

Dabei begann 2013 alles so hoffnungsvoll, als die ersten Geflüchteten ihre Unterkunft im Landkreis bezogen. „Da war Aufbruchsstimmung“, erinnert sich der 74-Jährige, dessen Familie selbst eine Fluchtgeschichte zu tragen hat. Der Bürgermeister wusste, dass Barth im Ausland gelebt hatte, und bat ihn, als Übersetzer mitzuhelfen. „Ich habe gleich erste Deutschkurse entwickelt“, erzählt Barth. „Wir haben sofort verstanden, dass es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, diese Menschen dabei zu unterstützen, sich zu integrieren.“

Barth hört längst nicht mehr hin, wenn ihn jemand süffisant auf „seine“ Flüchtlinge anspricht oder anmerkt, da sei ja mal wieder einiges los gewesen, gestern, in seiner Wohnung. Er weiß, die Kritiker sind nicht die Mehrheit. Die 30 ehrenamtlichen Mitglieder und rund 300 Unterstützer des Helferkreises in Hebertshausen haben viel erreicht, das ist Barth und Popp wichtig. Asylhelfer sind Ansprechpartner, Paten. Sie helfen, Briefe und Gesetze zu verstehen, eine Wohnung und eine Arbeit zu finden. Sie begleiten zu Ämtern oder zum Arzt. „Ich stand schon vor dem Kreißsaal – und habe mich um Bestattungen gekümmert“, erzählt Barth. Alltag. Und manches Mal ein Sommerfest.

„Recht und Gerechtigkeit stimmen nicht überein“

Aber der Idealismus der Anfangsjahre ist einem harten Kampf gewichen: „Recht und Gerechtigkeit stimmen nicht überein“, beklagt Raimund Popp. Der 59-jährige Agraringenieur arbeitete ein Jahr lang in der Elfenbeinküste. Er weiß, wie gut es tut, als Fremder aufgenommen zu werden. Moussa Nomokos Abschiebung  geht ihm Wochen später noch nah. Acht Jahre hat er ihn begleitet; er ist Teil seiner Familie geworden.

Als der junge Malier in Deutschland strandete, war er schon jahrelang unterwegs gewesen. Nicht einmal Popp kennt seine ganze Geschichte. Er konnte nicht lesen, nicht schreiben. Wenige Jahre später sprach er Deutsch, lernte Bäcker, hatte eine Wohnung gemietet und fand Arbeit beim Biobetrieb Polz in Hebertshausen. Inhaber Thomas Polz, der Menschen aus 14 Ländern Arbeit gibt, bescheinigte Nomoko ein „Gefühl für den Teig“. Jetzt fehlt der zuverlässige und beliebte Mitarbeiter in der Backstube – weil der letzte schriftliche Test an der Berufsschule zu viele Fehler hatte. Polz ist enttäuscht, ihn verloren zu haben. Und Popp verzweifelt: Fachkräfte würden händeringend gesucht. „Moussa war integriert“, betont Popp, der einen Brief an die Bundeskanzlerin geschrieben hat. Gegen die „würdelose“ Abschiebung will er klagen. Hin und wieder meldet sich Moussa per WhatsApp. Er sitzt jetzt in Bamako. Seine Nachrichten schreibt er auf Deutsch. 

TEXT: Kristina Balbach

 

 

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