Projektpartner berichten aus dem Libanon: „Schlimmster Krieg“
„Wir möchten damit vor allem diejenigen Menschen erreichen, die bisher nur wenig Zugang zu den Hilfsmaßnahmen haben“, sagt Monsignore Wolfgang Huber, Präsident von missio München. „Dazu zählen viele christliche Familien, die jetzt Flüchtlinge bei sich aufgenommen haben, da die offiziellen Flüchtlingsunterkünfte völlig überfüllt sind. Auch Einwanderer aus afrikanischen Ländern sind in besonderer Not.“ Da auch Schulen zu Notquartieren umfunktioniert worden sind, ist kein geregelter Unterricht mehr möglich.
Libanon: Arbeitskräfte aus Ausland gestrandet
„Rund 1500 Frauen und Männer aus Afrika haben in unseren Einrichtungen Schutz gesucht. Die Zentren sind völlig überfüllt,“ berichtet Micheline Sarkis von Caritas Libanon. Vor Beginn des Krieges hatten viele Frauen aus Ländern wie Äthiopien, Eritrea oder auch Nigeria als Haushaltshilfen gearbeitet. Männer hatten Jobs auf Baustellen und an Tankstellen gefunden. „Jetzt, da viele libanesische Familien aus ihren Heimatorten fliehen müssen, werden die ausländischen Arbeitskräfte zurückgelassen“, berichtet Sarkis. Der Weg zurück in ihre Heimat bleibe versperrt: „Auch wenn sie das Geld hätten, gibt es keine Flüge mehr zurück nach Afrika.“ Viele seien auf der Straße gestrandet und müssen um Essen betteln. Im „Olive Shelter“ und anderen Schutzhäusern finden sie Zuflucht.
Hilfe über kirchliches Netzwerk
Monsignore Wolfgang Huber: „Das Schicksal dieser Menschen bewegt mich umso mehr, da wir erst vor einem Jahr im Monat der Weltmission auf diese Arbeit aufmerksam gemacht haben. Innerhalb dieser kurzen Zeit hat sich die Lage noch einmal dramatisch verschlechtert. Wir nehmen unseren Auftrag ernst und wollen den Menschen auch in dieser schweren Zeit beistehen. Das Netzwerk der Kirchen vor Ort erweist sich als tragfähig selbst unter schwierigsten Bedingungen.“
„Der jetzige Krieg ist der schlimmste“
Unterdessen berichten Projektpartner von missio München über die Situation vor Ort. „Das Ausmaß der Gewalt ist noch nie so groß gewesen“, schreibt Michel Constantin, Regionaldirektor der Päpstlichen Mission für den Nahen Osten (CNEWA) in Beirut. „Ich habe in meinem Leben viele Kriege und Konflikte erlebt. Aber der jetzige Krieg ist der schlimmste. Um einen einzigen Mann auszuschalten, zerstört die israelische Armee ganze Stadtviertel.“ Als der Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah getötet wurde, seien sechs Gebäude mit 300 Menschen zerbombt worden, so Constantin.
Er kritisiert, dass den Zivilisten nur wenig Zeit gegeben werde, um sich vor den gegen die Hisbollah-Miliz gerichteten Angriffen in Sicherheit zu bringen: „Die Sprecher der israelischen Armee warnen die Bewohner eines Dorfes oder Stadtviertels vor, ihre Gebäude zu evakuieren. Schon eine halbe Stunde später beginnen die Angriffe. So müssen die Menschen ihre Häuser überstürzt verlassen und können kaum etwas mitnehmen. Oft kommen diese Warnungen mitten in der Nacht.“
Libanon: Angst vor Teufelskreis der Gewalt
Für die Zukunft stellt Michel Constantin fest: „Der Krieg ist in eine neue Phase der extremen Gewalt eingetreten, was sehr viele Todesopfer und fast totale Zerstörung mit sich bringt. Wir befürchten, dass jeder weitere Kriegstag für den ganzen Libanon eine Katastrophe ist. Am schlimmsten wäre es, wenn israelische Bodentruppen das Land besetzen – dann würden wir in einen neuen Teufelskreis der Gewalt und Gegengewalt eintreten.“
100.000 Euro Soforthilfe
Mit zunächst rund 100.000 Euro unterstützt missio München Nothilfeprogramme in der Region. Rund 8.000 Familien, die fliehen mussten, erhalten über die CNEWA Lebensmittelpakete, Matratzen, Kissen und Decken. Mütter und Kinder werden zudem psychologisch betreut. Weitere Hilfen sind auf dem Weg: Die einheimische Schwesternkongregation der „Missionary Sisters of the Very Holy Sacrament“ kümmert sich um notleidende Familien und Schulkinder. missio München unterstützt sie mit 30.000 Euro.
Caritas Libanon verteilt im Moment im Auftrag der Vereinten Nationen 50.000 warme Mahlzeiten pro Tag. „Christliche Familien haben schiitische Flüchtlinge mit offenen Armen aufgenommen“, betont Micheline Sarkis. „Doch sie bräuchten mehr Unterstützung, da sie ihre eigenen Familien kaum ernähren können.“ Von rund 4 Millionen Einwohnern im Libanon sind derzeit rund 1,5 Millionen innerhalb des Landes auf der Flucht.
„Die Verwerfungen, die dieser Krieg auslöst, werden die Menschen noch lange Zeit belasten,“ sagt missio-Präsident Msgr. Huber. „Ich rufe alle Kriegsparteien und ihre internationalen Verbündeten auf, ihr Vorgehen zu überdenken und zumindest eine Kampfpause zu erwägen, um weitere Hilfsmaßnahmen zu ermöglichen.“