Nach Islamistischem Einmarsch in Aleppo berichten missio-Partner von dramatischen Situationen
Wie Garabed Avedisian von der missio-Partnerorganisation Christian Hope Centers in Syrien per Video-Telefonat an missio München berichtet, haben in den vergangenen Tagen geschätzt bis zu einer halben Million Menschen die Metropole fluchtartig verlassen, mit dem Auto oder auch zu Fuß. Über Stunden stauten sich die Fahrzeuge. Avedisian selbst gelang noch in der ersten Nacht die Flucht. Der Kontakt zu seinen Kolleginnen und Kollegen im inzwischen abgeriegelten Aleppo ist nur per Festnetz möglich. „Wir machen uns große Sorgen. Das Internet ist abgestellt, die Zufahrtsstraßen sind blockiert. Die islamistischen Rebellen sind in allen Vierteln, so dass Regierungsverbündete die gesamte Stadt bombardieren.“
Lebensmittelknappheit droht
Mit dem Abzug der Truppen des Assad-Regimes seien auch alle staatlichen Dienste wie Strom und Wasserversorgung zum Erliegen gekommen. Die Preise für Lebensmittel seien bereits deutlich gestiegen. „Noch gibt es Brot. Aber wird diese Blockade aufrechterhalten, wird es bald nicht mehr genug für alle sein.“ Garabed Avedisian hilft jetzt in Latakia, wo auch viele christliche Familien aus Aleppo ankommen, die wieder vor dem Nichts stehen. „Für Aleppo rechnen wir mit dem Schlimmsten, besonders für die Zukunft der christlichen Minderheiten“, sagt Avedisian. Das Team der Christian Hope Centers mache so gut weiter wie möglich. Noch könne man in den Kirchen in Aleppo und offensichtlich unter dem Radar der Islamisten besonders mittellosen Familien helfen.
Für die Päpstliche Mission im Nahen Osten beobachtet Michel Constantin aus Beirut die Entwicklungen im Nachbarland, von denen er „völlig überrascht“ worden sei, wie er im Telefon-Interview missio München berichtet. Gerade habe der Waffenstillstand zwischen Israel und dem Libanon besonders den Bewohnerinnen und Bewohnern der Grenzgebiete eine Atempause verschafft, da wiederhole sich ein Trauma für die Menschen in Aleppo. „Den Versprechen der Islamisten, dass sich Andersgläubige weiter frei bewegen können, glaube ich nicht“, betont Constantin. „Sie sind radikal und werden ihre Agenda umsetzen.“ Die ersten wichtigen Posten in Universitäten und Kliniken seien schon neu besetzt worden.
Apell an weltweite Solidargemeinschaft der Christen
missio München hält über verschiedene Netzwerke und Kanäle Kontakt nach Aleppo. missio-Präsident Monsignore Wolfgang Huber appelliert an die weltweite Solidargemeinschaft der Christen: „Der Plan der Extremisten, die Existenz von Christinnen und Christen an einem ihrer Ur-Orte im Orient auszuzehren, hat einen neuen traurigen Höhepunkt erreicht. Wir dürfen nicht nachlassen, auf diese andauernde Bedrohungslage aufmerksam zu machen, die das Menschenrecht auf Religionsfreiheit mit Füßen tritt. Wir unterstützen die wichtige Arbeit unserer syrischen Partnerinnen und Partner weiterhin mit allen Kräften. Sie bleiben mutig an der Seite der Familien in Aleppo, die nach einem Jahrzehnt des Bürgerkriegs und unter ständiger wirtschaftlicher Not ihren Alltag bestreiten.“
missio-Präsident Huber erinnert auch an das verheerende Erdbeben, das vor knapp zwei Jahren großes Leid über die Menschen in der Region gebracht hat. Bis heute sitze der Schrecken tief, noch immer werde wichtige Aufbauarbeit geleistet. „Die Kirche wird in Aleppo mehr denn je gebraucht. Christen gehören zu Syrien. Sie sind der Gemeinschaft eine Stütze und geben ihr eine Perspektive, wo es scheinbar keine gibt. Wir beten für die Menschen in Aleppo.“