Geschäft mit langer Tradition: Einen Höhepunkt erlebte der deutsch-afrikanische Handel zu DDR-Zeiten.Ein grünes Tal im Erzgebirge. Fachwerkhäuser, historische Fabrikgebäude, schmucklose Gewerbehöfe und Jugendstil-Villen säumen die Straße entlang des Flüsschens Zwickauer Mulde. In das Büro der Curt Bauer GmbH geht es über knarrende Holztreppen und altes Parkett, vorbei an bunten Fenstern und Ölgemälden mit den Portraits der Vorfahren, die bis 1983 mit ihren Familien in dieser Jugendstilvilla gelebt und von hier aus die Geschicke des Unternehmens gelenkt haben. Die Firma Curt Bauer GmbH kann auf eine lange Tradition zurückblicken.
„Wir weben in der fünften Generation edle Damast-Stoffe,“ erklärt die geschäftsführende Gesellschafterin Claudia Bauer. Damast ist ein an speziellen Webstühlen fein gewebter Stoff mit figürlichen Mustern. Erstmals wurde er in China gefertigt. Über die Seidenstraße gelangte die Webtechnik dann über Indien, Persien und Syrien bis nach Europa. Früher wurde Damast aus Seide, Kammgarn oder Leinen hergestellt. Seit dem 20. Jahrhundert vewendet man dafür veredelte Baumwollfasern, die besonders fein und lang sind. Die meisten Menschen kennen Damast in Form hochwertiger Tischdecken oder Bettbezüge. Neben technischen Textilien machen diese 40 Prozent des Umsatzes bei der Curt Bauer GmbH aus. Mit 60 Prozent den größten Anteil aber stellen die edlen Boubou-Tücher für Westafrika.
"Niemand hat damals eine Zukunft für Textilfabriken in Europa gesehen"
Entstanden ist dieses Geschäft in den 1960er Jahren. Das Außenhandelsministerium der DDR organisierte den Export, um dringend benötigte Devisen in die Staatskasse zu fördern. Tischdecken und Bettzeug in die Kaufhäuser des Westens. Boubous nach Afrika, organisiert von einem Hamburger Exporteur. Damals gab es auch in der BRD noch große Damast-Fabriken, die Westafrika belieferten, den dafür bis heute weltweit größten Markt. Wie fast alle anderen Textilhersteller Deutschlands sind sie verschwunden. Die Curt Bauer GmbH ist geblieben. Trotz Wende und drohender Abwicklung. „Für die Treuhand waren wir ostdeutsche Würstchen“, erinnert sich Seniorchef Michael Bauer. Der 69-Jährige hat zwar die Geschäfte an Tochter Claudia abgegeben, ist aber weiterhin beratend tätig. „Niemand hat damals eine Zukunft für Textilfabriken in Europa gesehen.“ Eine Entlassungswelle folgte. Von den einst 300 000 Beschäftigten in der DDR-Textilindustrie sind heute gerade noch 20.000 übriggeblieben.
Auch bei Bauer schrumpfte die Belegschaft von 700 auf unter 100. Ein schmerzhafter Prozess, auch für Michael Bauer. Aber er gab nicht auf und kurbelte das Afrika-Geschäft wieder an. Das Außenhandelsministerium der DDR war Geschichte. Doch Bauer nahm mithiilfe eines ehemaligen Auslandskaders Kontakt zu dem Exporteur in Hamburg auf. Gleich zu Beginn gab es einen herben Rückschlag: 1992 wurde der CFA-Franc drastisch abgewertet, die bis heute in den ehemaligen französischen Kolonien geltende Währung. "Da ging von einem Tag auf den anderen wieder gar nichts mehr", erinnert sich Bauer. Er brauchte fünf Jahre, um das Geschäft mit den Boubous erneut anzukurbeln. Immer wieder gab und gibt es außerdem Probleme mit dem Transport, Verunsicherung durch abrupte Regimewechsel oder zahlungssäumige Kunden, Aber heute kann die Curt Bauer GmbH ihre 110 Mitarbeiter vor llem auch wegen des Afrika-Geschäfts halten. Von den 1,5 Millionen Metern Stoff pro Jahr ist die Hälfte Damast für Westafrika.
Billig-Konkurrenz aus China
Das Unternehmen aus Sachsen trifft mit seiner Qualität und seinem Design den Geschmack seiner westafrikanischen Kundschaft.Das Unternehmen aus Sachsen trifft mit seiner Qualität und seinem Design den Geschmack seiner westafrikanischen Kundschaft, die fast ausschließlich zur Oberschicht zählt, und trotzt erfolgzeich der Billig-Konkurrenz aus China. Keep Cool by Bauer oder Keep Elegant by Bauer steht auf den Broschüren des Unternehmens. Noch mehr aber zieht das "Made in Germany" die Kundschaft an, das an den Rand der Damast-Bahnen eingewebt wird.
Bisher hat es niemand geschafft, in Westafrika eine lokale Produktion von Boubou-Stoffen aufzuziehen. Lokale Handwerker, vor allem in Mali, übernehmen jedoch das Schneidern sowie das Färben der Stoffe nach Kundenwunsch. Anschlißend werden die durch das Färben stumpf gewordenen Stoffe mit großen Holzschlegeln auf einem Baumstamm wieder glänzend geklopft.
Warum aber das Weben von Damast nicht so einfach ist, zeigt ein Rundgang durch die Produktion in der neu gebauten Halle des Unternehmens. Dort steht ein Park von 34 SUV-großen Hight-Tech-Webmaschinen. Jeweils 15.000 Längsfäden laufen über den sogenannten Kettenbaum einer Maschine. Schell und für das Auge kaum auszumachen stampfen und rattern deren Schäfte auf und ab. Sie spreizen die Kettfäden so auf, dass der Schussfaden eingeschossen werden kann. So entsteht das Gewebe, das am Ende der Maschine auf eine sehr große Roolle läuft.
Millionen-Investitionen
"Damast hat eine sehr hohe Fadendichte", erklärt Claudia Bauer gegen den Lärm an. Noch wichtiger für die Qualität der Boubou-Stoffe aber ist die anschließende Veredelung. "Unser Afrika-Damast wird noch intensiver veredelt als die Tischdecken und die Bettwäsche", so die studierte Textiltechnikerin weiter. Das Herzstück dessen ist eine ebenfalls sehr große Kalandar-Maschine. In die Sonderanfertigung dieses Monstrums aus Stahl und Blech hat die Curt Bauer GmbH eine halbe Million Euro investiert.
Über Details des Verfahrens will Claudia Bauer nicht sprechen. Schließlich gibt es noch Mitbewerber auf dem westafrikanischen Markt, wie tewa die österreichische Firma Getzner, die unter anderem im thüringischen Gera eine große Weberei betreibt. Nur so viel: In der Maschine drehen sich mehrere übereinander angeordnete, geheizte Walzen, zwischen denen der Stoff hindurch läuft. Und das unter sehr hohem Druck und großer Hitze. Heraus kommt ein Stoff mit einer glänzenden Oberfläche, die wie gewachst oder anderweitig beschichtet aussieht.
Abbildungen von Menschen oder Tieren sind tabu
Vor Ort in Burkina Faso wird der Stoff so lange geklopft, bis er wieder glänzt.Der Stoff muss zwischen den Fingern rascheln und leicht knirschen, und das auch noch, nachdem er mehrmals gewaschen wurde.“ Verkaufsleiter Ralph Meincken steht im Show Room, einem großen Raum in der obersten Etage des alten Fabrikgebäudes, mit breiten Tischen voller Stoffbahnen und einer Ecke mit Schaufensterpuppen, die in verschiedene Boubous gekleidet sind. Das durch die hohen Fenster fallende Tageslicht lässt die meist hellen Farben und Muster der Stoffe leuchten. Kreise, Quadrate, Rauten, Halbmonde, Sterne, Muscheln, geometrische oder florale Motive wechseln sich ab. Die Möglichkeiten sind vielfältig.
„Nur Abbildungen von Menschen oder Tieren sind wegen des muslimischen Glaubens tabu.“ Seit 25 Jahren verkauft Ralph Meincken in Westafrika und in den großen Zentren der Diaspora wie Paris und London Stoffe für Boubous. Ein Drittel des Jahres ist er in Afrika unterwegs. „Der persönliche Kontakt ist dort sehr wichtig“, erklärt er. Nur so kann er Vertrauen aufbauen und herausfinden, was die Kunden mögen. Stoff von Bauer für einen Boubou kostet mit mindestens 120 bis 150 Euro das Dreifache der Konkurrenz aus China. Ein Lehrer oder Verwaltungsangestellter in den meisten Ländern Westafrikas muss dafür zwei Monate arbeiten.
Familiäre Kundenbesuche
Dafür ist der Damast aus Sachsen sehr hochwertig, was Ralph Meincken immer wieder vor Ort verdeutlichen muss. „Unsere Kundschaft ist außerdem sehr interessiert und weltläufig“, fügt Meincken hinzu, der fließend Englisch und Französisch spricht. Mit einem Kunden verbringt er zwei bis drei Tage. „Erst einmal ankommen, Tee trinken, viel herumsitzen, zuschauen und zuhören, nur so bekomme ich heraus, wen ich vor mir habe.“ Wie geht es der Familie? Wie laufen die Geschäfte? Was macht das neu gebaute Haus? Welche Torheiten hat sich die Regierung schon wieder geleistet? „Und wenn ein Kind des Kunden krank wird, fahre ich mit ins Hospital.“ Das eigentliche Geschäft wird erst in den letzten zehn Minuten so eines Besuches abgewickelt. Genau gleich allerdings verläuft ein Besuch nie ab. Dafür sorgt alleine die Unterschiedlichkeit der Länder. Im Senegal sind die Menschen sehr beweglich, interessieren sich für Mode und deren Wandel. In Mauretanien halten sie lange an Bewährtem fest. In den Communities in Paris oder London ist das Tempo schneller.
„Zuhause fallen sie aus allen Wolken, wenn ich erzähle, dass ich in Deutschland in einer Fabrik für Boubou-Stoffe arbeite, alle denken, die kommen aus Mali, was ja tatsächlich ein wichtiges Zentrum für den Zwischenhandel und die Weiterverarbeitung ist“, sagt Abdoulaye Balde aus Guinea. Seit fünf Jahren lebt der 22-Jährige in Deutschland. Nach zwei Jahren Ausbildung bei der Curt Bauer GmbH arbeitet er dort als Maschinen- und Anlagenführer. „Ich konnte es selbst auch kaum glauben“, fügt er hinzu. Aus Stoffresten aus der Produktion hat der junge Mann sich bei einer Guineerin in Brüssel schon drei Boubous nähen lassen. „Mein nächster soll gelb werden“, erzählt er lachend bei derVorführung eines hellblauen Modells. Zwei weitere Einwanderer aus dem Westen Afrikas arbeiten mittlerweile mit ihm hier. Noch zwei weitere sind in der Ausbildung. Claudia Bauer ist froh über diese Neuzugänge. Schließlich herrscht auch in Aue-Bad Schlema ein Mangel an Fachkräften. So ist das Textil-Unternehmen aus der sächsischen Provinz auf vielen Ebenen verwoben mit der großen, weiten Welt.