Kleinbauern sorgen dafür, dass Kenia weltweit größter Exporteur von Tee ist.VIER GENERATIONEN. So lange hat die Farm von Paul Njogu bereits überdauert. Und wenn es nach ihm geht, dann wird auch noch eines seiner Kinder von dem kleinen Wohnhaus aus in das saftige Grün blicken. Sein Vater hat es gebaut. Dem Großvater wäre das noch nicht möglich gewesen. "Im Großen und Ganzen ist mein Leben besser als das meines Vaters und Großvaters", sagt Paul. "Das Einkommen hat sich verbessert." Aber reicht es aus, dass auch seine Kinder die Teefelder übernehmen werden?
Kleinbauern wie Paul Njogu sorgen dafür, dass Kenia weltweit größter Exporteur von Tee ist. Sie produzieren die knapp 520 000 Tonnen Tee, die Kenia 2020 auf die arabische Halbinsel, nach Pakistan, Ägypten und England geschickt hat. Aber sie müssen nach wie vor vor allem mit einem leben: der Unsicherheit.
"Wer Tee oder Kaffee anbaut, weiß nie, welchen Preis er dafür erhalten wird", sagt Tarcisio K. Njue, Vorsitzender der Christian Workers Movement (CWM), der Christlichen Arbeiterbewegung in Kenia. "Die Bauern stehen am Ende der Kette. Nur die großen Unternehmen machen das Geld." Mit der Kenya Tea Development Agency (KTDA) gibt es einen Dachverband, in dem rund 600 000 Kleinbauern organisiert sind. An deren Sammelstellen liefern die Bauern die Teeblätter ab.
"Kenianer trinken ihren Tee nicht. Sie exportieren ihn."
Das Teegeschäft ist streng reguliert und kontrolliert. In den Teefabriken entsteht längst nicht mehr nur der nach dem CTC-Verfahren hergestellte Beuteltee. CTC steht für Crushing (zerbrechen), Tearing (zerreißen), Curling (rollen). Auch der großblättrige, sogenannte orthodoxe Tee ist wertvolles Exportprodukt des ostafrikanischen Landes. Produziert werden schwarzer, grüner, weißer und sogar der rare violette Tee. Die Kenianer selbst trinken ihren Tee mit viel Milch und Zucker. "Vor allem aber trinken sie wenig davon", sagt eine Mitarbeiterin der Teefabrik Kimunye. "Ich kann mir nicht erklären, warum. Aber die Kenianer trinken ihren Tee nicht. Sie exportieren ihn."
Fast 100 Arbeitskräfte sind in der Fabrik beschäftigt. Anders als beim Kaffee – ebenfalls ein wichtiges Exportgut Kenias – wird beim Tee nicht nur das Rohprodukt exportiert. Die Schritte der Veredelung geschehen vor Ort: welken, rollen, fermentieren, trocknen und sortieren. Der Export bringt dem Land wertvolle Devisen. Was aber kommt bei den Kleinbauern an, die wiederum selbst Arbeitgeber sind? In der Hochsaison beschäftigt etwa der Teebauer Paul Njogu zehn Arbeitskräfte, in der Zwischensaison drei. Gepflückt wird nach wie vor per Hand, "two leaves and a bud", zwei Blätter und eine Knospe also. Um die 20 Kilogramm Teeblätter pflücken die Arbeiterinnen und Arbeiter pro Tag. Das sind etwa fünf Kilogramm fertiger Tee. Gehandelt wird der Preis, den die Farmer letztlich bekommen, auf der Auktion in Mombasa. Es sind viele Faktoren, die ihn bestimmen. Einer davon ist die politische Weltlage. Derzeit wirken sich der Ukraine-Krieg und seine Folgen auch auf die Teebauern in Kenia aus: Sie bleiben auf ihrem Tee sitzen, denn russische Käufer fehlen.
"Das Leben in einer afrikanischen Großfamilie ist nicht idyllisch"
Solchen Unwägbarkeiten lässt sich nur mit ganz praktischer Hilfe begegnen. Davon ist zumindest Domitila Mwelu Kaluki überzeugt. "Ich schaue einfach nach denen, die es am nötigsten brauchen", sagt sie. Einfach? Alles andere als das. Domitila, dreifache Mutter, Katechistin und engagiertes Mitglied der christlichen Arbeiterbewegung in Muranga, ist dafür von frühmorgens bis spätabends auf den Beinen. "Wir haben 23 Kirchen und drei Priester. Da bleibt für uns Katechisten viel zu tun", sagt sie. Vorbereitungen von Taufen und Beerdigungen etwa. Vor allem aber, sich Zeit für die Menschen zu nehmen: Etwa der Besuch bei Peter Muchiri.
Der 66-Jährige sitzt im Rollstuhl. Beide Beine mussten ihm amputiert werden. Er leidet an einer schweren Krebserkrankung. Domitila ist heute mit einer Kollegin gekommen, um ihm Medikamente zu bringen, um mit ihm zu beten und um ihm die Kommunion zu bringen. Ein Lichtblick für Peter, denn er lebt alleine und ist auf die Hilfe seiner Nachbarn angewiesen. "Er ist kein Einzelfall", wird Domitila später erzählen. Nachdem sie eine gute Weile bei Peter geblieben ist, um mit ihm über dies und das zu sprechen, geht es weiter zu einer Gruppe älterer Damen.
Die Runde ist auf Stühlen unter schattenspendenen Bäumen versammelt und dabei, Körbe zu weben. Sie freuen sich ebenso über den Besuch der Katechistin und ihrer Kollegin. "Das Leben in einer afrikanischen Großfamilie ist nicht idyllisch", erklärt Domitilas Kollegin, die ausgebildete Sozialarbeiterin ist. "Wo Armut herrscht, werden die, die nicht mehr aktiv zum Einkommen beitragen, oft vernachlässigt."
Und dann ist da noch die christliche Arbeiterbewegung. Domitila ist Schatzmeisterin und bildet neue Mitglieder in einem Spar- und Kreditprogramm aus. Wie wichtig ein Kredit für die Arbeiterinnen und Arbeiter ist, weiß Domitila aus eigener Erfahrung. Ihr Gehalt als Katechistin reicht allein nicht. Ihre Kinder gehen noch zur Schule. Das Schulgeld ist also noch ein Fixposten. Um über die Runden zu kommen, hält sie nebenbei Hühner und baut Gemüse an Wenig ist eben besser als nichts. "Den meisten hier geht es so", sagt sie. Deshalb braucht es Vereinigungen wie die Christliche Arbeiterbewegung. "Allein kann hier keiner viel erreichen", sagt sie. "Aber wenn wir zusammen zu einer Stimme finden, ist Veränderung möglich."