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27. Juni 2023
Reportage:   Sandra Tjong
Junge Umweltschützer in Afrika und Asien

Sie stehen für viele

Greta Thunberg und Fridays for Future haben hierzulande dem Klimaprotest der Jugend einen enormen Schub gegeben. Doch wie sieht es aus in den Ländern des Globalen Südens, die besonders vom Klimawandel betroffen sind? Auf welche Weise engagieren sich junge Menschen dort für Klimagerechtigkeit und gegen Umweltverschmutzung?
27. Juni 2023
Text: Sandra Tjong   pa/NurPhoto/Mayank Makhija

Ihr Auftritt beim Wirtschaftsforum in Davos im Jahr 2020 machte Vanessa Nakate weltbekannt. Allerdings nicht, weil sie eine von fünf eingeladenen Klimaaktivistinnen war, sondern weil die Nachrichtenagentur AP die junge Frau aus Uganda aus dem weltweit verbreiteten Foto herausgeschnitten hatte. Übrig blieben vier Weiße, darunter Greta Thunberg und Luisa Neubauer. Geschadet hat es dem Anliegen von Vanessa Nakate nicht, ihre Stimme wird  spätestens seitdem auch im Globalen Norden gehört. Allerdings unterstreicht der Vorfall ein im Westen noch immer geläufiges Bild: dass Umwelt- und Klimaschutz vor allem von Weißen vorangetrieben wird.

Dabei ist das Engagement in den Ländern des Globalen Südens äußerst lebendig und vielfältig. Es bestehen zahlreiche Umwelt- und Klimaschutzinitiativen, die auf lokaler, regionaler und (inter-)nationaler Ebene tätig sind. Angefangen bei Müllsammelaktionen und dem Pflanzen von Bäumen über den Einsatz für den Schutz indigener Bevölkerungsgruppen, Workshops zu Umweltschutz und Klimawandel bis hin zur Entwicklung kreativer Lösungen, um Wasser zu sparen und Müll zu vermeiden.

Engagiert und jung: Umwelt- und Klimaschützer aus Asien und Afrika


Für Akhilesh Anil Kumar (rechts im Bild),war die Jahrhundertflut 2018 in seinem Heimatstaat Kerala in Indien ein Schlüsselerlebnis. „Wir waren geschockt“, erzählt er. Nicht nur von der Flut, auch vom Müll, der zurückblieb. Zusammen mit 100 Freiwilligen mehrerer Organisationen sammelte er in einem Waldgebiet innerhalb weniger Stunden 30 Tonnen Plastikmüll. Betroffen vom Ausmaß, startete er mit anderen eine Kampagne gegen Plastikstrohhalme, unmittelbar bevor er für ein Studium nach Australien aufbrach. Allerdings kehrte er trotz Stipendiums bald wieder heim: „Ich hatte das Gefühl, in Kerala mehr bewegen zu können“, sagt er.

Gemeinsam mit Gleichgesinnten baute er die gemeinnützige „Bring Back Green Foundation“ auf. Mit Lösungen zur Müllvermeidung fing es an. Bald berieten die Aktivisten Großveranstalter und organisierten Schülercamps. Inzwischen sorgen sie dafür, dass Klimawandel in den Lehrplan aufgenommen wird, sensibilisieren Studierende, machen mit Dokumentarfilmen auf die Erosion der Küste aufmerksam. Gerade sind sie dabei, auf Kommunalebene in Kerala eine Art Jugendparlament aufzubauen: 20 bis 30 junge Menschen aus der Region treten in direkten Austausch mit den gewählten Gemeindemitgliedern, um über Maßnahmen gegen den Klimawandel und andere  Zukunftsfragen zu beraten.

 


Maimouna Adamou aus BeninIm Juli ist es wieder so weit: Zum vierten Mal findet das Regionale Jugendklimacamp (RYCC) statt, dieses Jahr im Ouémé-Tal in Benin mit 150 Menschen aus 23 frankophonen afrikanischen Ländern. Als Direktorin hat Maïmouna Adamou bereits jede Menge mit der Vorbereitung zu tun.

„Es geht um Ökotourismus, Schulungen, Netzwerken und Bürgeraktionen“, sagt sie. Daneben engagiert sich die freiberufliche Sozialunternehmerin in zahlreichen weiteren Klima-Organisationen, darunter Fridays For Future und 350.org.

 


Allen Ottaro„Mit zehn Jahren sah ich, wie täglich Baumstämme aus dem Mau-Wald in Kenia abtransportiert wurden, selbst bei zunehmender Wasserknappheit“, erzählt Allen Ottaro. Diese Erfahrung prägte ihn nachhaltig: Heute agiert er als Pate für den größten indigenen Bergwald Ostafrikas. Ehrenamtlich.

Hauptberuflich sorgt er als Direktor des Catholic Youth Network for Environmental Sustainability in Africa (CYNESA) mit Sitz in Nairobi dafür, dass junge engagierte Katholiken befähigt werden, in ihren Gemeinden einen ökologischen Wandel herbeizuführen. Zunächst durchlaufen 1000 „Führungspersönlichkeiten“ in zehn afrikanischen Ländern ein entsprechendes Programm. Zusätzlich gibt es Onlineforen zur Schärfung des Umweltbewusstseins.

 


Dolores Mache aus Kamerun„Die Liebe zur Natur hat mich dazu gebracht, mich für Umweltschutz und die Rechte der indigenen Völker einzusetzen“, sagt Dolorès Mache. Die Juristin aus Kamerun hat sich auf einen gerechten Zugang lokaler Gemeinschaften zu genetischen Ressourcen wie zum Beispiel zu Palmöl spezialisiert. „Jede Tier- und Pflanzenart ist reich an Bestandteilen, die von Pharma-, Agrar-, Kosmetik-und Industrieunternehmen verwendet werden. Diese Komponenten werden in der Regel von Ländern des Nordens auf Kosten der Länder des Globalen Südens ausgebeutet“, erläutert sie. Dolorès arbeitet unter anderem für Greenpeace Kamerun und Vuma.Earth, einer Plattform für Online-Petitionen und Kampagnen zu Umwelt- und Klimaschutz.

 

 

 


Auftrieb durch Greta Thunberg 

Für Aufbruchstimmung unter jugendlichen Aktivistinnen und Aktivisten sorgten Greta Thunberg und ihr Schulstreik auch in afrikanischen und asiatischen Ländern. Binnen weniger Monate bildeten sich Hunderte von  Ortsgruppen, die sich untereinander vernetzt haben. Im Unterschied zu westlichen Ländern entwickelte sich daraus allerdings kein sichtbares Massenphänomen: Während zum Höhepunkt der Klimaproteste im September 2019 in Deutschland und Italien nach Veranstalterangaben jeweils mehr als eine Million Menschen auf die Straße gingen, waren es in Indien laut Erhebung von Fridays for Future rund 70 000 Menschen, auf den Philippinen 6250, in Südafrika knapp 11000 und in Kenia 1 730. Danach folgte die Corona-Pandemie, die die Bewegung weltweit gedämpft hat.

Bei Betrachtung der Zahlen sind allerdings die Rahmenbedingungen zu berücksichtigen: Man muss es sich leisten können, sich mit Themen wie Klimaschutz auseinanderzusetzen, zu mobilisieren und zu streiken. „Bezeichnend für die meisten Jugendlichen im Globalen Süden ist, sich durch prekäre Lebensumstände zu schlagen“, gibt Sisilia Nurmala Dewi, Indonesien-Leiterin der weltweit agierenden Klimaprotest-Organisation 350.org zu bedenken. Sie verweist dabei auf erhöhte Armut, Arbeitslosigkeit, Wettbewerbsdruck, Ungleichheit und Kriminalität.

Kritik an Regierung kann gefährlich sein

Seine Erfahrungen von den Philippinen schildert Danny Pilario, Vinzentinerpater und Universitätsprofessor: „Anders als im Westen sind die jungen Leute hier mit ihrem Studium beschäftigt, müssen mit knappen Mitteln auskommen. Es braucht außerdem mehr Bewusstseinsbildung, wie dringlich die Klimafragen sind“, sagt Danny Pilario, der sich im Großraum Manila für benachteiligte Menschen einsetzt. Die Thematik werde vor allem in Akademikerkreisen und von NGOs vorangetrieben.Dazu kommt: Viele Staaten im Globalen Süden werden autoritär geführt oder befinden sich im Umbruch. Wird Klimaprotest als Kritik an der Regierung ausgelegt oder steht er wirtschaftlichen Großprojekten im Weg, begeben sich Streikende in Gefahr. Auch Fridays for Future Indien bekam schon den repressiven Arm der Regierung zu spüren: Aktivistin Disha Ravi wurde 2021 vorübergehend inhaftiert, nachdem ein Dokument zur Unterstützung von Bauernprotesten, an dem sie mitgearbeitet hatte, von Greta Thunberg geteilt worden war.

Erfahren Sie hier über die Umwelt- und Klimaprojekte unserer Partner, die wir mit Hilfe unserer Spenderinnen und Spender mitfinanzieren: Schöpfung bewahren.

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