CHINA PRÄSENTIERT sich gerne als starker Partner an der Seite der afrikanischen Staaten. Staatspräsident Xi Jinping beschwor per Videobotschaft auf dem jüngsten China-Afrika-Gipfel FOCAC Ende November in Dakar nicht nur den Geist der chinesisch-afrikanischen Freundschaft. Peking versprach neben einer Milliarde Corona-Impfdosen, davon 600 Millionen Dosen kostenlos, erneut Milliardenkredite. Gemessen am Handelsvolumen ist China seit Jahren Afrikas größter Handelspartner.
Im Westen wird das Engagement kritisch gesehen, seit China als aufstrebende Wirtschaftsmacht angefangen hat, seine Investitionen in Afrika auszuweiten. China beute den Kontinent als günstigen Rohstofflieferanten aus, habe undurchsichtige Verträge, treibe die Länder in die Schuldenkrise, lauten gängige Vorwürfe. Auch von neokolonialen Strukturen war schon die Rede. Dabei sind positive Effekte des Engagements nicht von der Hand zu weisen. So war die Infrastruktur auf dem Kontinent einseitig an den Bedürfnissen europäischer Kolonialmächte ausgerichtet, bis es chinesische Investitionen den Ländern ermöglichten, innerafrikanische Verbindungsstraßen oder Zugstrecken zu bauen. „China hat hier eine große Lücke ausgefüllt“, sagt Philipp Gieg, Politikwissenschaftler an der Universität Würzburg, zu dessen Fachgebiet Afrikas Handelsbeziehungen zählen. Durch den zusätzlichen Akteur haben die afrikanischen Länder ihre Möglichkeiten erweitert, sich zu entwickeln. Wo westliche Firmen zurückhaltend waren, ging China das Risiko ein, zu investieren. Dadurch wuchs das Interesse anderer Staaten. Die Handelsbeziehungen mit der Türkei haben an Fahrt aufgenommen, und Indien ist dabei, China als größten Handelspartner zu überholen. Dadurch sinkt die Abhängigkeit von den USA und Europa, das afrikanische Selbstbewusstsein steigt.
Wertschöpfung in Afrika bleibt gering
Ungeachtet der Vorteile sieht Gieg durchaus Parallelen zwischen dem chinesischen Vorgehen und dem der einstigen europäischen Kolonialherren: „Wenn man sich die Handelsströme anschaut, hat sich nicht viel verändert“, sagt er. „Aus Afrika fließen die Rohstoffe – etwa in Form von Rohöl – meist unbearbeitet heraus, während umgekehrt China die verarbeiteten Produkte nach Afrika exportiert.“ Entsprechend bleibt die Wertschöpfung in Afrika vergleichsweise gering – mit wenigen Ausnahmen wie Südafrika. China stellt in der Regel die Anlagen zum Abbau der Ressourcen oder für Infrastrukturprojekte und bringt eigene Ingenieure und Vorarbeiter mit. Lange war es sogar Praxis, für minderqualifizierte Arbeiten Zehntausende Chinesen anzusiedeln. Nach massiver Kritik änderte sich dies. Nach wie vor ist aber der Technologietransfer gering.
„China verfolgt in erster Linie das Ziel, den eigenen Aufstieg in der Weltwirtschaft zu unterstützen“, sagt Robert Kappel, emeritierter Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Leipzig. Es gehe darum, genügend Rohstoffe für die heimische Produktion zu sichern. „Erst in den letzten zehn bis 15 Jahren haben chinesische Firmen begonnen, stärker in den Industriesektor zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen.“ Mit der Produktion vor Ort sollen nicht nur die afrikanischen, sondern auch die westlichen Märkte bedient werden. Durch chinesische Investitionen entstanden nicht nur Jobs, die Wirtschaft wuchs zeitweise auch um bis zu zehn Prozent. Unter dem Strich bleibt die Job-Bilanz bisher aber mager.
Zweifelhafte Deals und Schuldenfalle
Was steckt hinter dem Vorwurf, China treibe afrikanische Staaten in die Schuldenkrise? Zur gängigen Praxis der afrikanischen Staaten gehört es, Kredite für Bauprojekte mit Rohstoffexporten zu begleichen. Das ist für kapitalschwache Länder durchaus vorteilhaft – aber auch risikobehaftet: Sinken die Marktpreise für die Ressource, schnellen die Schulden in die Höhe. Wenngleich die Verantwortung dafür letztlich bei den Ländern selbst liegt, haben die riesigen Investments von China die Verschuldung der Länder erheblich vorangetrieben. Kappel verweist zudem darauf, dass die intransparenten Verträge die Umstrukturierung der Schulden undurchschaubar machen. „Schulden bei China müssen nicht nachteiliger sein als Schulden beim IWF oder Privatbanken. Durch die meist hohe Verschuldung hat China aber eine dominantere Position.“
In der Vergangenheit sind die Energie- und Infrastrukturdeals häufig zu Gunsten Chinas ausgefallen – oder auch zu Gunsten autokratischer Regierungschefs. Stichwort Korruption: Aus geleakten Dokumenten zum Kongo geht hervor, dass sich der Kabila-Clan im Zuge seiner China-Geschäfte um etliche Millionen Dollar bereichert hat, während Dutzende Krankenhäuser nicht wie vereinbart gebaut worden sind. Stichwort Prestige: Autokratische Regierungschefs schließen kurzsichtige Verträge ab, um sich im Wahlkampf mit Leuchtturmprojekten zu schmücken – während die Arbeitsbedingungen in den Kupfer- oder Coltanminen verheerend sind, es keine nachhaltige Entwicklung gibt und der Schuldenberg wächst.
Europa veharrt in einer Lähmung
Der Westen wirft China oft vor, sich bei seinen Geschäften zu wenig um „Good Governance“ zu kümmern. Das hält Gieg für berechtigt, zumal die Begründung, sich prinzipiell nicht in innere Angelegenheiten des Staates einmischen zu wollen, nicht stimme: „Wenn man in so großem Stil undurchsichtige Verträge abschließt, stützt man die Machthaber.“ Peking bringt diese Gemengelage in der internationalen Politik durchaus Vorteile: Geht es in UN-Gremien um Menschenrechtsfragen, halten sich viele afrikanische Staaten auffällig zurück, wenn es um China geht.
Überwiegen nun die Vorteile oder Risiken des chinesischen Engagements? „Der Handlungsspielraum für die Staaten hat sich erweitert, aber China übt zuviel Einfluss auf ihre Wirtschaftspolitik aus“, sagt Kappel. China investiere letztlich nur dort in Entwicklung, wo es unmittelbaren Nutzen sehe – wie es die Europäer einst getan haben. Bei ihnen sieht Kappel noch immer erhebliche Versäumnisse: „Industrieentwicklung stand nie auf der Agenda der Europäischen Union“, kritisiert er. Das ändere sich nur schleppend. „Man sieht dort nicht die Veränderung des Kontinents, die Urbanisierung, die Millionen gut ausgebildeter Menschen. Europa befindet sich in einer Lähmungsphase, anstatt die Perspektiven wahrzunehmen. Das haben sich die Chinesen zu Nutzen gemacht.“
Auch bei Gieg fällt das Fazit zwiespältig aus. „Die Win-Win-Rhetorik von China ist sicher fehl am Platze, aber letztlich hängt viel von den Staaten selbst ab. Gut wäre, wenn sie mit einer abgestimmten Strategie China und anderen Handelspartnern gegenüber aufträten.“ Mit der Bildung der afrikanischen Freihandelszone sei ein erster Schritt getan, der allerdings mit Leben gefüllt werden müsse. Immerhin: Auch auf Seiten Chinas sind leichte Veränderungen wahrzunehmen. So wurden zuletzt beim China-Afrika-Gipfel in Dakar die Infrastrukturmaßnahmen zurückgeschraubt. Und Xi Jinping betonte stärker als sonst, dass kleinere und mittlere Unternehmen in die verarbeitende Industrie investieren sollen. „Ob diese Entwicklung nachhaltig ist, ist aber zu früh zu bewerten.“