Herr Minister, vor genau fünf Jahren eröffnete Ministerpräsident Markus Söder das bayerische Büro in Addis Abeba.
Das war und ist zunächst mal ein ganz starkes Signal, dass wir unsere bayerischafrikanische Zusammenarbeit auch tatsächlich auf Dauer anlegen wollen. Addis Abeba wurde nicht nur als Standort gewählt, um sich der Vernetzung mit Äthiopien zu widmen, sondern um sich der Vernetzung mit ganz Afrika zu widmen, weil dort auch der Sitz der Afrikanischen Union ist. Von daher, glaube ich, ist das ein wichtiger Aspekt in der Zusammen arbeit mit Afrika, um auch die Wirtschaft und den Handel zu stärken und zu fördern.
Äthiopien schien besonders geeignet: Es gab einen Friedensschluss mit dem Nachbarn Eritrea, der Präsident bekam den Nobelpreis. Inzwischen hat sich die Krise wieder verschärft.
Da sind wir schnell bei der Frage nach den Regimen, mit denen wir arbeiten, und bei denen wir natürlich mit manchen Machthabern nicht unbedingt in zu große Nähe gerückt werden wollen. Aber wenn ich es richtig gelesen habe, leben 45,3 Prozent der Weltbevölkerung in Demokratien. Das heißt im Umkehrschluss: Wenn wir nur mit vollständigen Demokratien in Austausch treten würden, wie auch immer der aussieht, würden wir 55 Prozent der Weltbevölkerung ausschließen. Mir geht es da um die Menschen vor Ort. Wenn wir uns nicht um die Menschen kümmern, machen sich die Menschen auf den Weg zu uns. Das heißt, unsere Hilfe vor Ort halte ich für dringend notwendig. Und früher gab es in der alten Bundesrepublik den Spruch vom „Wandel durch Handel“. Wir sind weltweit tätig und versuchen durch den Wohlstand auch die Demokratiebewegungen überall zu fördern.
Hat sich dabei die Sicht auf Deutschland gewandelt, oder werden wir noch als kompetenter Partner gesehen?
Ich habe schon den Eindruck, dass Deutschland nicht mehr überall der Ansprechpartner Nummer eins ist. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass wir immer eine sehr belehrende Entwicklungshilfe machen. Mir ist in Erinnerung, was Chinesen mir geantwortet haben, als ich gesagt habe: „Ihr baut ja nur die Straße, um eure Rohstoffe abbauen zu können.“ Sagen die: „Richtig. Aber die Schulen, die ihr gebaut habt, zu denen kommen die Schüler auch erst, wenn unsere Straßen fertig sind. Vorher nicht.“ Also, wenn wir wirklich den Menschen helfen wollen, müssen wir weg von dieser ideologischen Außenpolitik und von dieser ideologischen Entwicklungshilfe. Und da befürchte ich schon, dass wir den Anschluss als Bundesrepublik Deutschland teilweise verloren haben.
Liegt das Ihrer Meinung nach an der Entwicklungspolitik der Bundesregierung? Dort gibt es seit kurzem zum Beispiel das Konzept der ,,feministischen Außenpolitik”.
Das ist uns dann doch zu wenig. Frauenrechte zu stärken, ist eine Selbstverständlichkeit. Aber das kann ja nicht das alleinige Ziel sein. Deutschland steht im Wettbewerb mit anderen Einflussländern wie Russland und China. Und rein ideologisch aufzutreten in den Ländern ist dann zu wenig. Und nur auf gendersensible und genderkonforme Projekte abzustellen, erscheint uns auch zu bevormundend.
Es ist allerdings auch gerade besonders modern, die Ampelregierung für alles zu kritisieren.
Die Ampel zu kritisieren ist nicht allein modern, sondern auch absolut zielführend. Eine Ampel, bei der alle Farben gleichzeitig aufblenden, führt natürlich zum Unfall. Und dieses Chaos haben wir jetzt. Mich stört vor allem die Ideologie in vielen Bereichen.
Wir von missio schätzen die Zusammenarbeit mit der Bayerischen Staatskanzlei. Warum sind kirchliche Organisationen für Sie ein guter Partner?
Es ist vor allem die Verlässlichkeit über Jahre hinweg. Die Kirchen vor Ort sind über Jahre, und auch über eventuelle Regimewechsel hinaus, verlässliche Ansprechpartner für uns, für die Hilfe zur Selbsthilfe. Ihnen geht es nicht darum, eine Regierung zu stützen, sondern sie sind als Partner vor Ort, verlässlich, zuverlässig, beständig. Und ganz wichtig: Sie haben Zugang zur Bevölkerung, den wir ja häufig so nicht haben.
Stimmt, eine Kirche findet man meist im kleinsten Dorf in Afrika.
Wir reden zwar immer vom vorherrschenden Islamismus auf der Welt, aber das ist ja gar nicht so. Das Christentum wächst gerade in den Ländern Afrikas sehr stark. Und die Kirchen helfen auch nicht nur den Christen, sondern allen Menschen.
Ihre Vorgängerin Melanie Huml hat im Interview gesagt: „Ich bin die Eine Welt-Ministerin.” Markus Söder hat gesagt, er sei der bayerische Außenminister. Haben Sie schon einen Titel, den Sie sich selber verleihen würden?
Ich würde auch sagen, dass ich eher der bayerische Außenminister bin. Bayern wäre, wenn wir selbstständig wären, auf Platz sechs der Volkswirtschaften in Europa. Auch wenn bei uns natürlich die Bundesrepublik Deutschland von offizieller Seite die Außenpolitik macht - wir sind als Volkswirtschaft stärker als Länder wie Portugal, Griechenland und Tschechien zusammen. Deshalb haben wir da einen gewissen Anspruch.
Relativ überraschend ist im neuen Koalitionsvertrag zwar kurz, aber ausdrücklich benannt, dass die bayerische Zusammenarbeit mit Kenia ausgebaut werden soll.
Also ich glaube, dass auch Kenia ein zentrales Land ist und ein ganz wichtiger Partner. Deshalb wird es als neues Fokusland der Zusammenarbeit aufgenommen. Die inhaltlichen Schwerpunkte liegen auf den bayerischen Kernkompetenzen wie wirtschaftliche Beziehungen, berufliche Bildung, schulische Bildung, Wissenschaft, Landwirtschaft und Umwelt. Auch auf der öffentlichen Verwaltung. Und ich glaube, dass wir da genug Möglichkeiten haben, entsprechende Projekte voranzubringen.
Hatten Sie selber schon Gelegenheit, Afrika zu bereisen, oder steht es demnächst an?
Es steht an. Aber „demnächst“ ist so eine Frage. Weil am 9. Juni ist Europawahl. Bis dorthin werde ich versuchen müssen, so viel wie möglich im europäischen Kontext unterwegs zu sein.
Haben Sie eine Wunschvorstellung für die kommenden vier, fünf Jahre als Minister? Wenn Sie zum Beispiel in Kenia empfangen werden, wie würden Sie da gerne gesehen werden?
Ich möchte gern, dass Bayern sein absolut positives Ansehen behält, dieses Ansehen als ehrlicher Makler und als tolles, bewundertes Land. Und dass, wir wegkommen von dem Begriff der „Entwicklungshilfe“ und auf keinen Fall belehrend auftreten, sondern als Partner auf Augenhöhe gesehen werden. Wenn ich das ein Stück weit unterstützen kann, bin ich schon sehr zufrieden.